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Nachruf auf Prof. Dr. Heide Rohloff

Nachruf auf Prof. Dr. Heide Rohloff

Die langjährige Professorin des Englischen Seminars ist am 17. September verstorben.

Wer die britischen Kronjuwelen sehen wollte, aber eine Reise in den Tower of London für zu aufwendig oder zu teuer hielt, konnte dies 1997 in Hannover tun (Ausstellung der britischen Kronjuwelen, in Replica). Die vierwöchige Ausstellung in den Herrenhäuser Gärten war nur eines von vielen, aber ein herausragendes Projekt, das Heide Rohloff leitete.

Sie war eine unermüdliche Hochschullehrerin am Englischen Seminar der Universität Hannover, seit 1971 als Assistentin, dann als Akademische Rätin und später als Akademische Direktorin, von 1983 bis zu ihrer Emeritierung 2001 als Professorin für Englische Literatur und Britische Kulturwissenschaft; Organisatorin von Studienexkursionen auf die Britischen Inseln, eine der ersten Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Universität, Gründerin des Uni-Kabaretts und, wie sie selbst einmal sagte, Studentin für alles, was sie noch lernen und wissen wollte.

Noch bis 2015 hielt sie Seminare und Vorlesungen, auch für das Seniorenstudium, und betreute bis in die 2010er Jahre ihre Doktoranden.

Als leidenschaftliche Raucherin und Kaffeetrinkerin, Katzenliebhaberin, strenge Lehrerin, einfühlsame Zuhörerin und Verfechterin der Genauigkeit hat sie Generationen junger Menschen, die in Hannover Anglistik studiert haben, mit der englischen Literatur, Kultur und Geschichte vertraut gemacht. Sie setzte sich dafür ein, den veralteten Begriff der Landeskunde durch den der Kulturwissenschaft zu ersetzen und damit den Rahmen der Anglistik im Verständnis der klassischen Literaturwissenschaft anders zu definieren und zu erweitern.

Der Biographie von Heide Rohloff scheint eine Konstante zu sein, wenn man ihren Lebenslauf betrachtet; gerade die frühen Lebensabschnitte zeigen, es gab es viele Wendungen und Umstände, die nicht unbedingt auf eine Universitätskarriere hindeuteten.

Sie wurde 1936 in Berlin-Spandau geboren. In den frühen Nachkriegsjahren waren verschiedene Orte in der Sowjetischen Besatzungszone das Zuhause. Die Flucht aus der SBZ führte sie 1947 nach Oberbayern, wo sie vier Jahre lang das Gymnasium besuchte. Ein AFS-Stipendium (American Field Service) ermöglichte ihr 1954 einen amerikanischen Schulabschluss an der North High School in Minneapolis, Minnesota. Es folgten Ausbildungen und Tätigkeiten im sozialen Bereich und bei humanitären Hilfseinsätzen in verschiedenen europäischen Ländern. 

In den Jahren 1956-1958 fand sie eine Anstellung im Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes in Bonn als Referentin für Jugendarbeit und Organisation von Projekten in mehreren deutschen Bundesländern. Schon in den ersten Berufsjahren zeichnete sich ab, was für ihren weiteren beruflichen Werdegang entscheidend werden sollte: Bildung und Management, aber auch das Eintreten für das Soziale und die Unterstützung von Hilfsprojekten. Das ist im Rückblick eine Konstanz ihres Lebensweges.

Es folgte das Studium der Pädagogik auf dem zweiten Bildungsweg mit der 1. und 2. Lehramtsprüfung und die Tätigkeit als Volksschullehrerin bis 1966, dann der Wechsel an die Pädagogische Hochschule Niedersachsen, damals noch in Alfeld, als Assistentin für Schulpädagogik.

In dieser Zeit absolvierte sie ein Zweitstudium an der damaligen Technischen Universität Hannover in den Fächern Anglistik, Philosophie und Pädagogik, welches sie im Dezember 1970 mit der Promotion im Fach Anglistik zum Thema "Klassizismus und beginnende Romantik: geistesgeschichtlicher Wandel und kultursoziologische Entwicklung im 18. Jahrhundert in England“ abschloss. Sie bezeichnete diesen Lebensabschnitt als einen, in dem sie beide Seiten des Bildungswesens durchlaufen habe, als Dozentin an der PH und als Studentin an der Universität. Dies habe ihr gezeigt, wie wichtig es sei, Lehren, Forschen und Lernen miteinander zu verbinden.

Von 1971 bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 2001 lehrte und forschte Heide Rohloff am Lehrstuhl für Auslandskunde und Anglistik, dem späteren Englischen Seminar der Universität Hannover. Dabei lehrte sie in der Kulturwissenschaft und britischen Geschichte den Kanon vom mittelalterlichen England bis zum Großbritannien im 20. Jahrhundert, in der Literaturwissenschaft von Geoffrey Chaucer bis zu den Schriftstellern des 17. und 18. Jahrhunderts. Das hieß nicht, dass sie die bedeutenden englischsprachigen Werke des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nicht einzuordnen wusste.

Prägend für die gesamte Universität wurde Heide Rohloff durch ihre Wahl zur Frauenbeauftragten gemeinsam mit Sabine Kunst; beide bekleideten ihre Ämter von 1993 bis 1998. Prägend war diese Zeit, weil die beiden Professorinnen die akademische Emanzipationsbewegung der 1970er und 1980er Jahre nun institutionalisierten und damit die Gleichstellung der Geschlechter auch an der Universität Hannover in den Fokus rückten. Das Englische Seminar fiel schon damals aus der Rolle, weil die Mehrheit der Professuren sowie der Mittelbau und die Mitarbeiterstellen mit Frauen besetzt waren.

Das Wintersemester 1988/89 war bundesweit und auch an der Universität Hannover mit dem UniMut-Streik eine politisch bewegte Zeit, in der Budgetkürzungen und Planungsunsicherheiten viele Institute trafen. Längst waren viele Institute überlastet. Hochschulbildung und ihre Finanzierung sind bis heute hochkomplexe und kontrovers diskutierte Themen der Bildungspolitik geblieben.

Heide Rohloff fand auf ihre Weise einen Weg, sich mit solchen politischen Themen auseinanderzusetzen und gründete das Uni Kabarett. Das Kabarett in seiner Art war angelehnt an das von Lore Lorentz und ihrem Mann Kay in der Nachkriegszeit in Düsseldorf gegründeten „Kommödchen“, und fand seit Anfang der 90er Jahre regelmäßig zum Ende des Semesters statt. Das Audimax der Universität war stets voll besetzt, wenn Rohloff gemeinsam mit Studierenden und Mitarbeitern auftrat. Sie etablierte die Veranstaltung, die bis Mitte der 1990er Jahre fortgeführt wurde.

Heide Rohloff hat engagierten Nachwuchswissenschaftlern und Studierenden, auch aus dem Kreis der Seniorenstu-dierenden, die Möglichkeit gegeben zu publizieren. 

Der von ihr herausgegebene Sammelband „Großbritannien und Hannover. Die Zeit der Personalunion 1714-1837“ ist ein Beispiel dafür. Viele ihrer Doktorandinnen und Doktoranden haben in der von ihr betreuten und herausgegebenen Reihe „Neue Anglistik“ publiziert, aber auch sie selbst hat zu dieser Reihe beigetragen, zuletzt mit dem 2015 erschienenen Band „Geschichte der privaten Wohltätigkeit und Sozialgesetzgebung in England und Deutschland: Wegbereiter der Corporate Responsibility?“ Die Publikationsreihe „Neue Anglistik“ zeigt, wie vielfältig Heide Rohloff zur britischen Geschichte und Kulturwissenschaft geforscht hat und zu welcher Bandbreite von Themen ihre Doktorandinnen und Doktoranden veröffentlichten.
Außeruniversitäre Aktivitäten waren Heide Rohloff immer wichtig. So hat sie von den 1980er bis zu den 2000er Jahren Studienreisen nach Großbritannien, Irland, auf die Kanalinseln und auch nach Malta organisiert und durchgeführt. Diese Reisen haben im Laufe der Jahre nicht nur ihr profundes Wissen über die Geographie und Identität der britischen Inseln gezeigt, sondern es sind auch viele Freundschaften unter den Wiederholungstätern dieser Reisen entstanden. Bildungs- und Wissensfreundschaften waren ihr wichtig.

In der Zeit nach ihrer Emeritierung entdeckte sie für sich das Projekt der Neuübertragung der Sonette Shakespeares ins Deutsche und arbeitete intensiv daran.

Am 17. September 2024 starb sie im Alter von 88 Jahren.

Prof. Dr. Marian Döhler (Dekan der Philosophischen Fakultät)          
Prof. Dr. Ruth Mayer (Geschäftsführende Leitung  Englisches Seminar)        
Dr. Christian-Martin Czypull (Dozent am Leibniz Language Centre und ehemaliger Doktorand von Prof. Rohloff)